Zellulosedämmstoffe


Abb. 200 | Vom Rohstoff über den Wertstoff zum Dämmstoff


Einblaszellulosedämmstoffe werden durch Zerfaserung von Tageszeitungspapier unter Zugabe von Brandschutzmitteln hergestellt. Die losen Flocken werden von geschulten Fachbetrieben mit Einblasmaschinen in die vorbereiteten Hohlräume eingeblasen. Bei entsprechender Verarbeitung entstehen lückenlose Dämmungen unabhängig von der Geometrie, die eine lange Tradition aufweisen und hervorragende bauphysikalische Eigenschaften besitzen.

Produktvorteile

Sichere und wirtschaftliche Anwendung

  • Lückenlose Dämmschicht in allen Arten von Konstruktionen, unabhängig von der Hohlraumgeometrie
  • Setzungssicher
  • Verschnittfrei
  • Ausgereifte Maschinentechnik für rationelle Verarbeitung
  • Kompetente Beratung und Ausführung durch geschulte Fachbetriebe

Effektiver Wärmeschutz

  • Niedrige Wärmeleitfähigkeit, auch bei Erhöhung der Materialfeuchte
  • Fugendichtigkeit
  • Hoher Widerstand gegen Durchströmung von Kaltluft im Winter

Spürbarer sommerlicher Hitzeschutz

  • Niedrige Wärmeleitfähigkeit
  • Hohe spezifische Wärmekapazität
  • Hohe Rohdichte
  • Fugendichtigkeit
  • Hoher Widerstand gegen Durchströmung von Warmluft im Sommer

Wirksamer Brandschutz

  • Verkohlung bei Beflammung wie bei Massivholz, Schutz der Konstruktion
  • Kein Schmelzen und brennendes Abtropfen
  • Konstruktionen mit allen gängigen Feuerwiderstandsklassen (F 30 bis F 90) möglich
  • Reduzierung des Sauerstoffzugangs in die Konstruktion
  • Kühleffekt durch Verdunstung der Materialfeuchte
  • Verzögerung des Hitzedurchgangs durch Wärmedämmung und hohe Wärmespeicherkapazität

Guter Schallschutz

  • Optimaler Strömungswiderstand
  • Hoher Schallabsorptionsgrad
  • Fugendichtigkeit
  • Hohe Rohdichte

Dauerhafter Feuchteschutz / Holzschutz

  • Diffusionsoffen
  • Kapillaraktiv im überhygroskopischen Bereich
  • Adsorptions- und Desorptionsfähig
  • In Holzkonstruktionen GK 0 nach DIN 68800-2 [69] einsetzbar

Sehr gute Ökobilanz

  • Upcycling des Rohstoffes Papier
  • Geringer Energiebedarf bei der Herstellung
  • Beim Rückbau absaugbar und wiederverwertbar
  • Entstammt dem Holz, zusätzliche CO2-Bindung über die Lebensdauer
  • Kein Abfall, da beim Einbau kein Verschnitt anfällt

Historie

Zellulosedämmstoff als loser Einblasdämmstoff wird in Nordamerika und Skandinavien seit gut 100 Jahren produziert und verwendet. Die erste deutsche Nachkriegsproduktion in Nordhessen wurde Mitte der 90er Jahre aufgebaut. Seitdem haben sich in Deutschland weitere Hersteller etabliert, die natürlich auch in das europäische Ausland exportieren, so wie Zellulosedämmstoffe aus den europäischen Nachbarländern nach Deutschland geliefert werden.

Rohstoffe

Zum Einsatz kommen trockene sortierte Tageszeitungspapiere oder Papiere vergleichbarer Qualität, die im Produktionsprozess mit verschiedenen Brandschutzmitteln vermischt werden. Es handelt sich also um einen Upcyclingprozess. Während aus den Zeitungen sonst wiederum kurzlebige Zeitungspapiere hergestellt werden (Recycling) erfährt der Rohstoff hier eine zeitliche und stoffliche Aufwertung, indem die CO2-Speicherung des ursprünglich geschlagenen Holzes um die Lebenserwartung des Dämmstoffes (ca. 50 Jahre) verlängert wird. Es entsteht ein langlebiger Dämmstoff, der den Energieverbrauch von Gebäuden massiv senkt und so zum Klimaschutz beiträgt. Die energetische Amortisationszeit, in welcher der Energieaufwand zur Herstellung durch die Energieeinsparung im Gebäude wieder eingespart wird, ist unschlagbar kurz. Denn der energetische Aufwand zur Herstellung ist im Vergleich zu anderen Dämmstoffen, die erdölbasiert sind oder wo Schmelz- und Trockenprozesse anstehen, sehr niedrig.
 

Abb. 201 | Papierballen im Lager Abb. 201 | Papierballen im Lager

Herstellung

Die in verdichteten Ballen angelieferten Papiere werden im ersten Schritt aufgelockert, um eine gleichmäßige Zufuhr zum Schredder zu ermöglichen und um größere Fremdstoffe detektieren und entfernen zu können. Nach dem Schredder, der aus den Zeitungen kleinere Schnipsel herstellt, erfolgt die zweite Fremdkörperabscheidung und Zufuhr zur Feinmühle. An dieser Stelle werden normalerweise auch die Additive zudosiert. Hinter der Feinmühle wird die fertige Zellulosedämmung von der Transportluft getrennt und der Verpackung zugeführt. Je nach Anlage und Bedarf erfolgt die Verpackung in Säcken mit Gewichten zwischen 11,5 und 15 kg sowie abschließend die Palettierung und Lagerung bzw. Übergabe an den Spediteur.
 

Abb. 202 | Produktionsablauf Abb. 202 | Produktionsablauf Abb. 203 | Das Fertigprodukt Abb. 203 | Das Fertigprodukt

Verwendbarkeitsnachweis und Kennzeichnung

Anfangs noch als reiner Schüttdämmstoff für die manuelle Verarbeitung, später als Einblasdämmstoff mittels Einblasmaschinen, wurde die Zellulosedämmung in Deutschland über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung (abZ) in Verkehr gebracht. Da die im Sack verdichtete Zellulose erst an der Baustelle mit ihrer bestimmungsgemäßen Rohdichte zum Dämmstoff wird, bestand bei maschineller Verarbeitung schon immer die Pflicht der Verarbeitung durch geschultes Personal, welches vom Hersteller unterwiesen wird. Zwischenzeitlich wurden auch Zulassungen erwirkt, über die eine manuelle Auflockerung und Verarbeitung ermöglicht wurde. Zu beachten ist, dass hier die Wärmeleitfähigkeit einen höheren, d.h. schlechteren, Wert aufweist.

Seit 2013 liegt eine europäische Norm für Zellulosedämmstoffe (DIN EN 15101-1) [70] vor, die bereits 2019 überarbeitet wurde. Teil 1 definiert  die Produktspezifikationen vor dem Einbau. Bislang ist die Norm aber nicht im offiziellen Amtsblatt der EU zitiert und daher bauaufsichtlich noch nicht anwendbar. Der Zeitpunkt einer Aufnahme in das Amtsblatt ist derzeit unklar. Daneben gibt es Teil 2 [71], welcher die Spezifikationen für fertig eingebaute Produkte festlegt, jedoch nicht normativ sondern rein informativ geführt wird.

Bis zur Aufnahme der DIN EN 15101-1 in das offizielle Amtsblatt der EU arbeiten alle Hersteller in Europa mit europäischen technischen Bewertungen (ETA) als Verwendbarkeitsnachweis. Auf der Basis einer europäischen technischen Bewertung erstellt der Hersteller die Leistungserklärung (DoP), die die Produkteigenschaften enthält. Auf der Basis dieser DoP wird auch die CE-Kennzeichnung vorgenommen. Sie werden in der Regel auf der Homepage der Anbieter zum Download zur Verfügung gestellt.

Über die Verwaltungsvorschriften Technische Baubestimmungen (VV TB, erstellt auf Basis der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen MVV TB [72]) der Bundesländer wird die Anwendung der Dämmstoffe, wie die Ermittlung eines Bemessungswertes der Wärmeleitfähigkeit (siehe „Wärmeleitfähigkeit“) oder der Einsatz in Konstruktionen gemäß der Holzschutznorm DIN 68800-2 [69] geregelt.

 

Abb. 204 | CE-Kennzeichnung von Zellulosedämmstoffen Abb. 204 | CE-Kennzeichnung von Zellulosedämmstoffen

Lieferformen und Verarbeitungstechniken

Zellulosedämmstoffe werden lose oder palettiert in Säcken á 11,5 bis 15 kg auf den Baustellen angeliefert und mittels spezieller Einblasmaschinen aufgelockert und in die vorbereiteten Hohlräume eingeblasen bzw. offen aufgeblasen.

Abb. 205 | Einblasmaschinen Abb. 205 | Einblasmaschinen

Für die Befüllung von vorgefertigten Elementen im Werk (Holztafelbau) bieten einige Mitglieder eine entsprechende Einblastechnik für die Werksbefüllung an, die meistens mit Großgebinden (Big Bales mit bis zu 350 kg) befüllt werden. Eine Werksbefüllung ist technisch jedoch auch mit der gängigen Baustellentechnik möglich.

Das Besondere der Elementbefüllung mittels Einblasplatten ist, dass die Gefache erst einseitig beplankt, dann liegend ausgeblasen und anschließend geschlossen werden. Es entfällt also das Bohren und Verschließen von Einblasbohrungen und die Einbauzeiten sind kürzer als an der Baustelle. Die ausführenden Betriebe werden entsprechend fremdüberwacht.
 

Abb. 206 | Die verschiedenen Verarbeitungsverfahren Abb. 206 | Die verschiedenen Verarbeitungsverfahren

Einblasen

Beim verdichteten Einblasen wird die Zellulosedämmung nach dem Auflockern in der Einblasmaschine in geschlossene Hohlräume eingeblasen. Dies geschieht durch das Einführen von Einblasschläuchen, -düsen, -nadeln oder -lanzen über Einblasbohrungen oder bei Feldern, die ohnehin zugänglich sind wie z.B. Sparrenfelder bei Steildächern vom Spitzboden aus. Für die vollständige Hohlraumbefüllung und Setzungssicherheit gelten die Rohdichtevorgaben in kg/m³ (Dichtetabelle) des jeweiligen Anbieters.
 

Abb. 207 | Einblasverfahren beim Sparrendach von innen Abb. 207 | Einblasverfahren beim Sparrendach von innen

Aufblasen

Hierbei wird die Zellulosedämmung nach dem Auflockern in der Maschine locker auf horizontale oder leicht geneigte tragfähige Oberflächen trocken aufgeblasen. Beim Aufblasen wird durch den Aufblasvorgang keine nennenswerte Verdichtung der Zellulosedämmung erzielt. Es ist daher eine zulässige Setzung zu berücksichtigen. Damit nach der Setzung die vereinbarte Nenndicke erreicht wird, muss entweder mit einer Überhöhung aufgeblasen werden, oder die Einbaudicke wird um das Setzmaß abgemindert, um die für den Wärmeschutz maßgebliche Nenndicke zu bestimmen. Das Setzmaß ist der jeweils gültigen Zulassung/ETA zu entnehmen und liegt produkt- und dickenspezifisch zwischen 10 und 20%.

Befinden sich in der Nähe der losen Dämmung Öffnungen, durch die Wind eintreten und auf die Dämmung einwirken kann, sind geeignete Maßnahmen gegen Verwehung zu treffen, z.B. Abbinden durch Aufsprühen von Wasser oder Abdecken mit diffusionsoffenen Bahnen etc.
 

Abb. 208 | Aufblasverfahren bei einer obersten Geschossdecke Abb. 208 | Aufblasverfahren bei einer obersten Geschossdecke

Bildnachweis für den Abschnitt EINFÜHRUNG / EIGENSCHAFTEN

Climacell - CWA Cellulose Werk Angelbachtal GmbH
Abb. 205

Dipl.-Ing. F. Förster
Abb. 204

ISOCELL GmbH
Abb. 200, 201, 202, 203, 206, 207, 208

Literaturnachweis für den Abschnitt EINFÜHRUNG / EIGENSCHAFTEN

[69] DIN 68800-2:2012-02  Holzschutz - Teil 2: Vorbeugende bauliche Maßnahmen im Hochbau
[70] DIN EN 15101-1:2013-12  Wärmedämmstoffe für Gebäude - An der Verwendungsstelle hergestellter Wärmedämmstoff aus Zellulosefüllstoff (LFCI) - Teil 1: Spezifikation für die Produkte vor dem Einbau; Deutsche Fassung EN 15101-1:2013
[71] DIN EN 15101-2:2013-12 Wärmedämmstoffe für Gebäude - An der Verwendungsstelle hergestellter Wärmedämmstoff aus Zellulosefüllstoff (LFCI) - Teil 2: Spezifikation für die eingebauten Produkte; Deutsche Fassung EN 15101-2:2013
[72] Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB), Ausgabe August 2017, Anhang 4, Tabelle 1.3.1